Probier‘s mal mit Gemütlichkeit

„Wenn du erstmals eine Kreuzfahrt machst, solltest du eher mit einem kleineren Schiff beginnen und eine kurze Tour wählen“, empfahl mir ein Reiseexperte und so kam mir das Angebot zum sommerlichen Nordseetörn mit der MS Astor genau gelegen. Verglichen mit den neuen, modernen Kreuzern ist die MS Astor mit ihren sieben Decks und maximal 580 Passagieren geradezu winzig. Mir passt das hervorragend, dank der Überschaubarkeit finde ich mich gleich von Anfang an zurecht. Die Kabine ist hell und bequem eingerichtet, Aircondition, TV, alles da. Nach der Einschiffung in Bremerhaven begebe ich mich auf das Sonnendeck, wo ich bald mit ein paar Mitreisenden ins Gespräch komme. Einige scheinen Kreuzfahrtneulinge so wie ich - „wir wollten das erst einmal ausprobieren“ - andere wirken schon recht vertraut. „Sehen sie das?“ fragt mein neuer Bekannter, der sich als Frank vorstellt, und deutet auf seine Kappe mit dem goldenen Abzeichen: „Ich bin Club Columbus Mitglied, ich fahre schon zum zehnten Mal mit der Astor!“ Später erfahre ich, dass die MS Astor einen besonders hohen Anteil an Stammgästen hat: „Fast 60 Prozent unserer Passagiere sind Repeater“, sagt Kreuzfahrtdirektor André Sultan: „Darauf sind wir echt stolz!“

Reiches Esbjerg & schönes Ribe

Über Nacht hat die MS Astor 102 Seemeilen in Richtung Norden zurückgelegt, am Morgen ankern wir an der Küste Dänemarks, Esbjerg ist die erste Station. Die örtliche Blasmusikkapelle begrüßt mit einem Ständchen, vermag aber das nebelige Wetter nicht zu vertreiben. „Das macht nichts“, meint Ole Bang, unser dänischer Reiseführer, „in Esbjerg gibt es ohnehin nicht viel zu sehen, alles ist neu hier, aber ich zeige euch dann meine Stadt, ich bin ja von Ribe, das ist ganz was anderes!“ Mit seinem knorrigen Wikinger-Charme erweist sich Ole als überaus kundiger und witziger Reisebegleiter. Esbjerg ist durch den Hafen, die Industrie und Offshore-Business reich geworden. Ole führt uns zum markanten Wahrzeichen und seiner Meinung nach der einzigen Sehenswürdigkeit der Stadt: zur Monumentalskulptur „Der Mensch am Meer“, vier männliche Figuren aus weißem Stein, die vom Strand aus in die Ferne blicken. Rasch drängt Ole weiter, für „sein“ Ribe sollen wir mehr Zeit haben. Das mittelalterliche Städtchen liegt wenige Kilometer landeinwärts und ist wirklich zauberhaft. „Ribe ist die älteste Stadt Dänemarks mit dem bestens erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern“, erklärt Ole während wir durch die schmalen Gässchen mit kleinen, hübsch dekorierten Fachwerk- und Steinhäusern schlendern. „Wir waren früher – zum Glück – einfach zu arm, um Neues zu bauen und die vielen Rosenbüsche vor den Häusern sollten eigentlich nur die verfallenden Fassaden kaschieren.“ Imposant ist der monumentale Dom im Herzen der Stadt, er stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist zugleich Dänemarks älteste Kirche.

„Kieken“ auf Sylt

Nachmittags geht es zurück aufs Schiff, die MS Astor legt ab mit Kurs auf Sylt, wo sie dann noch vor Mitternacht ankert. Ich finde es fast schade, dass das Schiff die ganze Nacht still liegt, gestern noch hat mich das sanfte Schaukeln während der Fahrt angenehm in den Schlaf gewiegt. Hm ja, ich finde Geschmack an der Schifffahrt! Am Morgen zeigt sich die Insel Sylt bei strahlendem Sonnenschein, der quirlige Hafenort List liegt direkt vor uns. Der Landgang erfolgt per Tenderboot, da bekannterweise das Meer um Sylt recht flach ist. „Kiek mol wedder in“ grüßt das Schild am Pier und so „kieke“ ich gleich einmal bei Gosch‘s Fischmarkt rein, bestaune das riesige Angebot an Fischspezialitäten und Meeresfrüchten, gönne mir dann ein paar Appetithappen samt einem Glas „Blubberwasser“ als zweites Frühstück – um 6,90 Euro gar nicht so teuer für Sylt! Die MS Astor bleibt den ganzen Tag vor Anker und so ist reichlich Zeit für eine ausgedehnte Besichtigung der Insel. Sylke, die betont, eine „Eingeborene“ auf Sylt zu sein, begleitet uns bei der Wanderung in die wunderschöne Sylter Heide und die Dünen, es geht nur über gekennzeichnete Pfade, da größtenteils Naturschutzgebiet. Später fahren wir durch die Promi-Orte Kampen und Keitum, wo viele der schmucken, reetgedeckten Villen aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen und mit ihren üppig blühenden Gärten wunderbare Fotomotive abgeben. Zurück in List führt uns Sylke noch zur traditionsreichen Dittmeyers Austern Compagnie: Hier gibt es nicht nur die famose „Sylter Royal“ zu verkosten, sondern auch überaus interessante Erklärungen zur Austernzucht. Zurück auf dem Schiff und nach dem feinen Captain‘s Dinner, begeistert dann noch Kreuzfahrtdirektor André Sultan als talentierter Sänger und Tänzer mit seiner wunderbaren One-Man-Show.

Naturdenkmal Helgoland

Letzte Nacht habe ich wieder wunderbar geschlafen, die MS Astor hat währenddessen die Strecke von Sylt bis Helgoland zurückgelegt, am Morgen merke ich, dass das Schiff nicht mehr fährt, aber dennoch in Bewegung ist. „Ah, wir haben Glück, so ruhig ist es hier ganz selten!“ lacht Kreuzfahrt-Concierge Ulrich Leim und deutet auf den hoch aufragenden Felsen, der im hellen Sonnenschein leuchtend rot strahlt: Helgoland. Die Ausschiffung per Tenderboot gestaltet sich diesmal etwas wackelig, dauert aber nur wenige Minuten. Am Pier wartet bereits unser Guide Peter Krüss, bereit zur Erkundungstour. Die kleine Hochseeinsel ist lediglich einen Quadratkilometer groß und ist völlig autofrei. Peter führt uns auf das Hochplateau zur markanten Klippe „Lange Anna“, dem Wahrzeichen Helgolands und weiter zum ebenso roten Lummenfelsen, wo tausende von Seevögeln nisten und sich von Fotografen keinesfalls stören lassen. Natur und Naturschutz hat auf Helgoland große Bedeutung, das zeigt sich auch beim Besuch der „Düne“, einer großen Sandbank, vormals Teil der Insel, nun per Boot zu erreichen. Weiße lange Sandstrände verheißen Badefreuden, diese sind aber streng geregelt: Teile sind für Menschen frei zugänglich, doch weite Abschnitte für die dort lebenden Kolonien von Kegelrobben reserviert. Peter Krüss ist stolz auf seine Insel und deren bewegte Vergangenheit. Helgoland galt zeitweise als Piratennest und hatte schon immer strategische Bedeutung. Durch seinen Sonderstatus ist Helgoland Zollfreizone und so wird der Ort regelmäßig von einkaufswütigen Tagestouristen überschwemmt. „Aber am Abend gehört die Insel wieder uns allein“, grinst Peter. So verabschieden auch wir uns nach diesem wunderschönen Tag und kehren zurück auf die MS Astor, die dann um Mitternacht in Richtung Bremerhaven ablegt. Leichte Wehmut befällt mich: Auf der MS Astor fühlte ich mich schließlich zu hause und das leichte Schaukeln wird mir beim Einschlafen fehlen!

Kompakt

Das Schiff

Die MS Astor (Baujahr 1987) wurde 2010 komplett modernisiert und bietet auf sieben Decks Platz für maximal 578 Passagiere und 282 internationale Crewmitglieder. Zehn verschiedene Kabinenkategorien stehen zur Wahl, einige Suiten verfügen auch über einen Balkon. Zur Ausstattung zählen mehrere Restaurants, Bars im Innen- und Außenbereich, die Astor Lounge mit Bühne und Abendunterhaltung mit dem eigenen Show-Ensemble, ein Innen- und ein Außenpool, eine Sauna, ein Wellness- und Fitnesscenter sowie ein Jogging-Parcours. Für individuelle Landausflüge stehen auch Fahrräder bereit. Die Bordsprache ist während der Sommersaison Deutsch, sonst Englisch.

Die Routen

Aufgrund ihrer überschaubaren Größe und ihres geringen Tiefgangs kann die MS Astor auch kleinere Häfen anlaufen und sogar Fluss-Mündungen passieren. Das reiche Repertoire an abwechslungsreichen Routen startet während der Sommersaison meist ab Bremerhaven zu Zielen im nördlichen Europa. Über die Wintermonate geht die MS Astor auf große Weltreise nach Down Under und rund um Afrika. Als besonderen Service bietet die MS Astor auf ausgewählten Routen sogar eine Dialysestation mit Arzt an Bord.

Die Reederei

Die Marke TransOcean steht für klassische Kreuzfahrt-Tradition. Seit 2013 gehört das Unternehmen zum britischen Veranstalter Cruise & Maritime Voyages, der in Deutschland neben der MS Astor noch weitere Hochseeschiffe mittlerer Größe betreibt: die MS Magellan für 1.250 Passagiere und die MS Columbus, mit einer Kapazität für 1.400 Passagiere.

Weitere Informationen: www.transocean.de, www.transocean.de/schiff/ms-astor