Kaiserliches Elba
Wir schreiben das Jahr 1814, als Napoleon – das französische Heer war im Jahr davor in der Schlacht um Leipzig vernichtend geschlagen worden – den Vertrag von Fontainbleau ratifizierte und damit auf den französischen und italienischen Thron verzichten musste. Darüber hinaus wurde ihm auferlegt, Frankreich zu verlassen; er hatte die Wahl zwischen Korfu oder Elba als Exil. Für die toskanische Insel entschied er sich, so die Überlieferung, aufgrund des angenehmen Klimas und der Sanftmut der BewohnerInnen. Am 3. Mai 1814 legte seine Fregatte in der Bucht von Portoferraio an, verlassen hat er sie erst einen Tag später, das Vertrauen in die Sanftmut der ElbanerInnen hatte offenbar Grenzen. Unbegründet, wie sich herausstellte, denn die BewohnerInnen bereiteten ihrem neuen „Fürsten auf Lebenszeit“ einen festlichen Empfang. Obwohl Napoleon nur zehn Monate auf der Insel verbrachte, ist er noch heute allgegenwärtig.
Allgegenwärtig auf der Insel ist auch Gabriele Rotellini. Er betreibt mit seiner Familie den Campingplatz Valle Santa Maria in Lacona, im Süden der Insel. Und: Gabriele ist bemüht, den Tourismus auf Elba, der anders als in der übrigen Toskana in vielen Bereichen noch unkoordiniert scheint, auf stabile Beine zu stellen. Gabriele wurde der Tourismus in die Wiege gelegt, sein Vater hatte Ende der 1960er Jahre mit der Vermietung einer Kuhweide für Camper schon früh den Grundstein für den florierenden Campingtourismus auf Elba gelegt. Der Campingplatz Valle Santa Maria ist heute eine moderne Anlage, die neben Stellplätzen für Wohnmobile und Wohnwägen auch über Glamping-Zelte und großzügige, komfortable Mobilheime verfügt.
Was den Platz noch auszeichnet: die spektakuläre Lage am Strand der Locano Bucht mit Blick auf die aus dem Roman berühmte Insel Montecristo. Diese ist wie Elba Teil des Toskanischen Archipels - und darüber hinaus noch die Inseln Giglio, Giannutri, Capraia, Gorgona sowie Pianosa (letztgenannte war bis zum Ende des letzten Jahrhunderts eine Gefängnisinsel). Die Namen der verschiedenen Inseln finden sich auch im Valle Santa Maria: Gabriele hat die Mobilheime nach ihnen getauft. Nur ein Beweis für die Verbundenheit mit seiner Heimat. Einen weiteren trägt er stolz an seinem Handgelenk: eine Locman.
UHREN VON WELTRUHM
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Nur eine Bucht von Lacona entfernt liegt Marina di Campo, ein feines Küstenstädtchen mit schmucken Cafés, Geschäften und einer Uhrenmanufaktur. Locman und der charismatische Gründer der Marke, Marco Mantovani, sind bekannt und geschätzt auf Elba. Der 1961 in Marino de Campo geborene Unternehmer gründete im Jahr 1986, gemeinsam mit einem Partner, eine Design-Firma, die zuerst als Dienstleister für Schweizer Hersteller Uhren fertigte. Ein Jahr später erfolgte eine Kooperation mit der italienischen Uhrenmarke Genesi, die es Locman ermöglichte, hochwertige, handgefertigte Uhren selbst herzustellen und deutlich unter dem Preis der Schweizer Konkurrenz anzubieten.
Das war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die sich bis heute fortsetzt. Locman-Uhren sind unter Sammlern begehrte Stücke, bekannt sind Kooperationen mit berühmten Marken aus anderen Branchen. Ein Beispiel: Ducati. Bemerkenswert, neben dem Erfolg, ist die Verbundenheit Mantovanis mit seiner Heimat und seinem Handwerk. Die Produktion der Uhren findet nach wie vor in seiner Geburtsstadt statt, rund 50 Personen designen und montieren in dem Produktionsbetrieb, der nur ein paar Meter vom Meer entfernt liegt, die Uhren. Darüber hinaus hat Mantovani auch eine Uhrmacherschule in dem Ort etabliert. Und, er ist auch Gründungsmitglied der Elba Island Foundation, die sich sowohl in Umwelt- und sozialen Themen engagiert als auch einen inselweiten, nachhaltigen Tourismus zum Ziel hat. Oft wisse man in einem Ort nicht, was im Nachbarort passiere, erklärt Mantovani die Problematik, der sich auch Gabriele mit Hingabe annimmt.
NATUR IM MITTELPUNKT
Dabei wäre es, Napoleon sei Dank - der Kurzzeitfürst auf Lebenszeit hat einst das Straßennetz auf Elba anlegen lassen, da bis zu seiner Ankunft keine brauchbaren Verbindungen zwischen den Orten gegeben hatte – einfach. Denn die Wege auf der nur 27km langen und maximal 18km breiten Insel sind kurz (jedoch kurvenreich und stets bergauf und bergab). Auf diesen Wegen ist Gabriele täglich unterwegs, um die zwar durch Straßen verbundenen, jedoch im Handeln getrennten Orte auf einen gemeinsamen, touristischen Weg zu bringen.
Noch etwas hat der Tourismus auf Elba Napoleon zu verdanken: Er engagierte sich für die Umwelt, stoppte die Abholzung der Wälder und ordnete Aufforstungen an. Eine „grüne Insel“ war sein Vorhaben, das auch gelungen ist. Große Teile Elbas sind heute Naturschutzgebiet, was auch viele Wanderer und Wanderinnen zu schätzen wissen, zahlreiche Wege laden ein, Elba aktiv zu erleben. Der bekannteste, der Grande Traversata Elbana (GTE), führt in drei Etappen quer über die Insel. Der GTE ist ein Projekt, an dem die Familie von Gabriele auch beteiligt ist: Michele Cervellino, der Schwager von Gabriele, im Brotberuf Polizist, kümmert sich in seiner Freizeit um die Instandhaltung des 65km langen Weges und ist auch als Wanderführer unterwegs. Obwohl der höchste Berg der Insel, der Monte Campanne, lediglich gut 1.000m hoch ist, sind die Wanderungen keine Spaziergänge, sondern durchaus anspruchsvoll.
Wer ohne große Anstrengung auf dem Monte Campanne stehen möchte, kann den höchsten Punkt auch mit einer Seilbahn erreichen. Diese ist eine Attraktion der Insel, die „Gondeln“ sind gelbe „Einzelkabinen“, die wie Vogelkäfige aussehen. Ein Blick vom Gipfel entschädigt für den Nervenkitzel und zeigt die Pracht der Insel, mit ihren unzähligen Buchten, in denen man vergebens große Hotelburgen sucht (sollte man das jemals tun).
„Ja, im Juli und August kann es schon voll werden auf Elba, aber es gibt hier keinen Massentourismus“, wie Gabriele glaubhaft versichert. Das liegt auch daran, dass der Flughafen der Insel für größere Maschinen ungeeignet ist, weil die Landebahn zu kurz ist. So kommen hier nur maximal 50 Personen pro Flug an, nur wenige kommerzielle Fluggesellschaften nutzen ihn.
ROSTIGE VERGANGENHEIT
Darum kommen fast alle TouristInnen - wie einst Napoleon – in Portoferraio an. Portoferraio ist, im Gegensatz zu Piombino, dem Ausgangspunkt der Fährverbindungen am Festland, eine schöne Küstenstadt, die von dem berühmten Geschlecht der Medicis angelegt, mit Festungen gesichert und so im 16. Jahrhundert zu einem wichtigen strategischen Hafen im Mittelmeer wurde.
Piombino wiederum „sticht“ mit kilometerlangen, verfallenden Förderbändern und stillgelegten Erzverarbeitungsbetrieben heraus. Sie zeugen von der einst wirtschaftlichen Bedeutung des Eisenerzes aus Elba, das hierher verschifft wurde. Auf Elba ergeht es den Erzminen, die über Jahrhunderte die Wirtschaft bestimmt haben, nicht besser, auch sie rosten seit ihrer Schließung in den 1980er Jahren vor sich hin. Diese erfolgte von einem Tag auf den anderen, wie BesucherInnen der Mine nahe Capoliveri erfahren. Die Löcher für die nächste Sprengung waren schon gebohrt, nur kam es zu dieser nicht mehr. Ein kleines Museum zeigt dort auch Gegenstände vom Leben unter Tage.
FÜR IMMER ELBA
Ein Museum ist auch das einstige Anwesen von Napoleon hoch oben in der Altstadt von Portoferraio. In der Villa di Mulini erinnert viel an die Zeit seiner Herrschaft auf Elba, jedoch wenig an ihn selbst: Da das Originalmobiliar verlorenging, besteht die heutige Einrichtung aus sorgfältig zusammengesuchten Stücken aus dem 19. Jahrhundert. Auch wenn aus der Zeit nicht viel übrig ist, wird dem Kaiser doch an vielen Ecken gehuldigt. So wird jährlich im Mai seine Ankunft auf der Insel gefeiert, inklusive Paraden in historischen Kostümen. Gerne mit dabei ist, wenn es seine Zeit und die Arbeit erlauben, auch Gabriele, um der Bedeutung Napoleons für den Tourismus auf Elba Ausdruck zu verleihen. Was er jedoch niemals machen würde, wäre, wie er sagt, die Insel für immer zu verlassen, so wie es der Fürst schon nach nur 300 Tagen machte.
Neben den Residenzen, es gibt deren zwei auf Elba, ist die Napoleon-Quelle, von wo der Herrscher sein Trinkwasser holen ließ, eine weitere „Pilgerstätte“. In einer Kurve, an der Strecke nach Maricana Alta, einem traumhaft gelegenen Bergdorf, das für seine Naturprodukte und Marmeladen bekannt ist, kann es schon mal zu einem Stau kommen, wenn Einheimische und TouristInnen die Quelle anzapfen. Verständlich, wird dem Wasser doch eine heilende Wirkung nachgesagt.

Eine betörende Wirkung soll das Acqua dell’Elba verbreiten. Die Parfum-Manufaktur der Geschwister Fabio, Chiara und Marco, gegründet in den 1990er-Jahren, hat sich einen Namen gemacht. Aus der Vision, den Duft des Meeres in der Welt zu verbreiten, ist ein florierendes Unternehmen geworden, das über 32 eigene Geschäfte in Europa und unzählige Vertriebsstellen weltweit verfügt, das jedoch stets den Charakter Elbas im Mittelpunkt hat. Es versteht sich von selbst, dass Gabrielle neben der Locman auch den Duft Elbas trägt.
KOMPAKT
Allgemeine Infos: www.visitelba.it
Anreise: Zug oder Auto bis Piombino Marittima, dann Fähre nach Elba. Flüge nach Florenz, Mailand oder Pisa, dann weiter mit Auto/Zug und Fähre
Beste Reisezeit: Frühling bis Herbst
Unterkunft: In allen größeren Ortschaften am Meer gibt es Campingplätze, kleinere Hotels und Pensionen. Speziell empfehlenswert ist der Campingplatz Valle Santa Maria in Lacona; ein relativ kleiner, familiär geführter und als Ausgangspunkt ideal gelegener Campingplatz, und der erste auf Elba mit dem Europäischen Umweltzeichen, auch mit Appartements, www. vsmaria.it
Restaurants
Miramar Bistrot Direkt an der Bucht von Lacona www.miramarbistrot.it/
La Finca Lacona: Wunderschönes, in einem Gemüsegarten gelegenes Restaurant, in dem Mary und Luigi alles für ihre max. 20 Gäste tun. Reservierung erforderlich. Tel. +39 340 862 22 86
Elba Kitchen Club: Selbst kochen mit Andrea und Cristina – ein kulinarisches Erlebnis Via delle Grazie 6, 57031 Capoliveri www.elbakitchenclub.com/
Ristorante Offizina Gondolino: Spektakulär gelegenes Restaurant an der Westküste Elbas mit hervorragender, lokaler Küche. Den Sonnenuntergang sollte man in Pomonte nicht verpassen! Via del Maestrale 8, 57030 Pomonte
Acquarilli: Eine besonders coole Location für einen Aperitif oder einen gelungenen Tag am Meer ist die „Felsenbar“ Acquarilli, ein zur Bar umfunktionierter Wohnwagen. Sie liegt an der Straße von Lacona in Richtung Capoliveri an einem Felsvorsprung. Sitzplätze sind überall in der Natur zu finden, der Ausblick ist großartig.
Die Reise erfolgte mit Unterstützung von Valle Santa Maria, Primcom und den ÖBB.