Kurische Nehrung: Das Gold der Ostsee

Wie ein schmaler Strich ragt die Kurische Nehrung ins Meer. Im Westen die Ostsee, im Osten das Kurische Haff. Auf der knapp vier Kilometer schmalen Landzunge findet sich eine einzigartige Naturlandschaft mit Dünen, Sandstränden und Kiefernwäldern. Und das ehemalige Zentrum des Handels mit Bernstein, dem „Gold der Ostsee“.

Vom Hafen in Klaipéda setzt eine Fähre – für Autos und Fußgänger - in vier Minuten über das Kurische Haff auf die Kurische Nehrung über. Die Landzunge erstreckt sich auf einer Länge von 98 Kilometern mit einer maximalen Breite von 3,8 Kilometern und ist als UNESCO Weltnaturerbe geschützt. Die nördlichen 52 Kilometer gehören zu Litauen, der Süden zur russischen Exklave Kaliningrad.

Neringa, wie die Kurische Nehrung auf Litauisch heißt, ist zweifelsohne einer der Höhepunkte einer Reise ins Baltikum. Der Kurort besteht aus den vier Wohnorten Nida, Preila, Pervalka und Juodkranté. Bis vor etwa 500 Jahren war die Nehrung von dichten Kiefernwäldern überzogen. Mit der Abholzung der Bäume ging der Windschutz verloren, der Sand übernahm und formte ständig wachsende Wanderdünen. Die jüngsten sind ca. 150 Jahre alt, die ältesten mehrere tausend. 

GRABKREUZE FÜR DÖRFER 

Besonders eindrucksvoll sind die Sandformationen in den Toten Dünen in der Schutzzone Nagliai. Am besten barfuß spaziert man über befestigte Holzstege und durch den Sand. Seine Konsistenz wechselt von samtig-weich bis bretthart an schroffen Abbruchkanten, sanften Hügeln oder Mulden. Außer dem Wind, der den Sand vor sich hertreibt und das Dünengras zum Rascheln bringt, herrscht totale Stille. Auf einer der Dünen ragen Grabkreuze empor und werfen lange Schatten. Auf diesen „Totenbrettern“ verewigt sind Namen von 14 Siedlungen, die im Lauf der Zeit im Sand begraben wurden.

DER SARKOPHAG DER AMEISE 

In Juodkranté (deutsch: Schwarzort) wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als das Kurische Haff vertieft wurde, an die 75 Tonnen Bernstein aus dem Wasser gebaggert. Bis zum 13. Jahrhundert wurde das versteinerte Harz vom Volk am Ufer gesammelt, danach wurde es von den Kreuzrittern monopolisiert. 

Das erst 2021 eröffnete Mizgiris Bernsteinmuseum im Zentrum von Nida vermittelt alles Wissenswerte zu diesem Thema. Kazimieras und Virginija Mizgiris haben in mehr als 30 Jahren eine einzigartige Sammlung aufgebaut. Das Farbspektrum des Bernsteins liegt zwischen hell- und honiggelb, umfasst aber auch fast alle anderen Farben, je nachdem, welche Mineralien eingeschlossen sind. Bis zu 250 Farbtöne haben Fachleute identifiziert. 

Ein ebenso anschauliches Video erklärt die Entstehung: Vor 60 Millionen Jahren war die Region an der Ostsee und in Skandinavien mit subtropischem Wald bedeckt. Die Bernstein-Kiefern haben besonders viel Harz, das sie absondern. „Sie weinen“, heißt es. Krabbelt eine Ameise versehentlich auf eine dieser Tränen, ist ihr Schicksal besiegelt - in ihrem Sarkophag aus Harz, das zu Stein erhärtet, wird sie für die Ewigkeit bewahrt. Zahlreiche Exponate mit solchen Einschlüssen – auch mit denen von Pflanzen – sind im Museum zu bewundern, ebenso wie kunstvolle Schnitzereien wie Pfeifenköpfe oder Amulette. Sogar heilende und therapeutische Wirkungen soll Bernstein dank einer magnetischen Eigenschaft haben. Schön ist er auf jeden Fall. Und mit etwas Glück lässt sich das eine oder andere Stückchen, besonders im Herbst nach größeren Stürmen, am Strand finden. 

THOMAS MANNS ITALIENBLICK 

50 Kilometer Sandstrand, flache bis leicht hügelige Wege, dichter Wald und reichlich Meer. Optimale Voraussetzungen finden aktive UrlauberInnen auf Neringa. Mit 18 bis 22 Grad verspricht die Ostsee auch im Sommer Abkühlung. Während in Juodkranté stattliche Villen aus dem vorigen Jahrhundert dominieren, punktet Nida mit den typischen, braunroten Holzhäusern mit weißen und blauen Schmuckelementen an Fenstern und Dächern. 

Auch Literaturnobelpreisträger Thomas Mann erlag dem Charme der Kurischen Nehrung. Als er den gut dotierten Literaturnobelpreis erhielt, ließ er sich eine Villa im Stil der lokalen Fischerkaten, allerdings mit jedem Komfort, erbauen. Drei Sommer verbrachte er mit seiner Familie in Nida und genoss den „Italienblick“, wie er die Aussicht auf die zypressenähnlichen, schlanken Kiefern und das glatte Wasser nannte. Immer montags besuchte er die Künstlerkolonie im nahegelegenen Ort. Das war der Tag, an dem das Hotel die Wäsche machte und so konnte Mann, damals schon eine Berühmtheit, von den Leintüchern verborgen, ungestört zu seinen Bekannten gelangen. 

KOMPAKT 

Anreise: Flüge ab Wien via Riga nach Palanga mit Air Baltic; per Fähre ab Kiel (ca. 21 Std.) 

Hotel: Spa Nida: schickes Spa-Hotel mit gutem Restaurant, www.spanida.lt

Veranstalter: Baltikum erleben: Der Spezialist für Reisen durch die baltischen Staaten fokussiert sein Programm auf Touren in kleinere Städte und Orte, mit persönlichen Begegnungen und viel Erleben in der Natur, von Aktivurlaub bis zu Vogelbeobachtungen. www.baltikum-erleben.at