Chemnitz 2025: Lila Pfad als roter Faden

Chemnitz feiert in diesem Jahr Europäische Kulturhauptstadt-Region 2025. Die Ziele und Visionen, die mit dem Titel einhergehen, sind ambitioniert, zeugen aber auch von Zuversicht: Im Zentrum stehen Werte wie Vielfalt, Kooperation, Respekt und Toleranz. 

Auch wenn das Bundesland Sachsen bei österreichischen Reisenden einigermaßen beliebt ist, so steht die drittgrößte Stadt Chemnitz seit Jahren im Schatten Leipzigs und Dresdens. Mit der Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt-Region 2025 ist eine Steigerung der Bekanntheit von Chemnitz und 38 Kommunen und Gemeinden, die sich den Titel teilen, gewiss. 

Unter dem Motto „C the Unseen“ soll das Augenmerk auf verborgenes Kulturgut gelenkt werden. „Der Begriff Kultur ist dabei allerdings sehr weit gefasst“, erklärt Alexander Ochs, Kurator und künstlerischer Leiter des „Purple Path“. Kerngedanke ist, das Interesse der Menschen vor Ort zu wecken und sie in die unterschiedlichsten Projekte mit einzubinden. So soll gleichzeitig der Austausch mit Besuchenden aus aller Welt gefördert werden. Ein kluger Ansatz für eine Region, in der sich viele Menschen seit Jahrzehnten auf der Verliererseite der politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts wähnen. 

WIEGE DES BERGBAUS 

Das Kulturhauptstadt-Programm rankt sich um vier Flagship-Projekte: Das bedeutendste ist der „Purple Path“: Entlang des „Lila Wegs“, der Chemnitz und die 38 Gemeinden verbindet, werden sukzessive Skulpturen und Interventionen internationaler und lokaler Kunstschaffender installiert. Einige sind bereits jetzt zu besichtigen: Auf dem Sauberg in Ehrenfriedersdorf steht auf dem Haldengelände der stillgelegten Zinngrube die Skulpturengruppe „Wildschweine“ des deutschen Künstlers Carl Emanuel Wolff. Die drei bronzenen, lebensgroßen Tiere erinnern an den Ursprung des Bergbaus an diesem Ort: Laut Legende kamen Wildschweine aus dem Wald, mit einer silbrig-weißen Substanz in ihrem Fell - Zinn. So wurden im 13. Jahrhundert die ersten Minen errichtet - der Abbau wurde bis 1990 fortgesetzt. Die facettenreiche Geschichte des Bergbaus mit zahlreichen technischen Innovationen spiegelt sich im grenzüberschreitenden UNESCO Weltkulturerbe „Montanregion Erzgebirge / Krušnohoří“ wider, das aus 22 Teilgebieten besteht. 

„Stack“ von Tony Cragg in Aue-Bad Schlema — Foto: Elo Resch-Pilcik
„Stack“ von Tony Cragg in Aue-Bad Schlema — Foto: Elo Resch-Pilcik

In Lößnitz wurde neben Kobalt auch Kaolin, der Grundstoff für Porzellan, abgebaut. Die österreichische Künstlerin Uli Aigner kreiert Porzellangefäße in allen Größen. Für den Purple Path hat sie gemeinsam mit TöpferInnen in China zwei monumentale „Items“ geschaffen, die nun in Lößnitz ausgestellt sind. Im Kurpark, ist die monumentale Bronzeskulptur „Stack“ von Tony Cragg in Aue-Bad Schlema. Mit der „Schicht“ interpretiert der britische Künstler das Thema Bergbau auf seine Weise. Bis zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres soll der Purple Path 39 Kunstwerke miteinander verbinden, die auch mit öffentlichem Verkehr gut erreichbar sind. 

HANDWERK UND TRADITION 

Ein weiteres Hauptprojekt widmet sich „Makers, Business & Arts“. Dabei werden traditionelles Handwerk und Kunstfertigkeiten vor den Vorhang geholt. So sollen Angebote für eine branchenübergreifende Zusammenarbeit von Industrie und Kreativen entwickelt werden. In neun „Makerhubs“ in der Kulturhauptstadt-Region treffen DesignerInnen, ForscherInnen, KünstlerInnen und Firmen aufeinander. Schwerpunkt ist die Einbindung der lokalen Bevölkerung, die ihr Wissen und ihre Fertigkeiten auch mit BesucherInnen teilen und so regionale Traditionen weiterführen. 

In Schneeberg, dem Sitz der Fakultät für angewandte Kunst der Westsächsischen Hochschule Zwickau, finden sich einige Beispiele für die Verschmelzung von traditionellem Handwerk des Erzgebirges und modernem Design. Das Atelier „Hängengeblieben“ bietet Produkte mit schlichtem, aber ebenso modernem Design feil: vom Schuhlöffel aus Holz über Schmuck und Kalender bis hin zum Schneeberger Stern. Zwei Häuser weiter arbeitet Lars Neubert. Der Holzschnitzer und Drechsler gibt sein Wissen in Kursen weiter und verkauft seine Werke, Krippenfiguren, Räuchermännchen oder Hängepyramiden. „Im Erzgebirge ist es Tradition, dass Jungen schnitzen lernen und Mädchen klöppeln,“ erklärt er seine Fertigkeit. 

Nils Bergauer, Handschuhmacher in Schneeberg — Foto: Elo Resch-Pilcik
Nils Bergauer, Handschuhmacher in Schneeberg — Foto: Elo Resch-Pilcik

VOM HOBBY ZUR BERUFUNG

Nils Bergauer stammt aus einer Familie von Handschuhmachern. Dennoch hatte er mit dem Handwerk als Jugendlicher vorerst nichts am Hut. So schenkte ihm seine vorausblickende Großmutter zur Konfirmation 100 Mark, damit er sich ordentliche Handschuhe kaufe. Das tat der 14-jährige Nils und kam prompt mit dem Hersteller ins Gespräch, der ihm anbot, ihn zu unterrichten. „Anfangs war das nur ein Hobby für mich, dann wurde daraus Berufung. Das Nähen habe ich von meiner Großmutter gelernt.“ Heute ist Bergauer in Schneeberg einer von nur noch vier Handschuhmanufakteuren in Deutschland. Mit teilweise 80 bis 100 Jahre alten Geräten verarbeitet er feinstes Leder zu Handschuhen für alle Gelegenheiten, gegen die Kälte, zum Autofahren, Golfspielen, Bogenschießen oder einfach, weil sie schick sind. Auch eine Show von Jean Paul Gaultier im Friedrichspalast hat er ausgestattet. ebenso wie den Film „die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, für den Bergauer alle Handschuhe genäht hat. 

REICHE INDUSTRIEKULTUR

Bis zum zweiten Weltkrieg war Chemnitz dank Bergbau, Auto- und Textilindustrie eine florierende Stadt. Der damalige Wohlstand lässt sich an den gut erhaltenen, schicken Villen in Kaßberg erahnen. Ein Fixpunkt für Art Nouveau-Interessierte ist die Villa Esche, die der belgische Architekt Henry Van der Velde für den Unternehmer und Mäzen Herbert Eugen Esche entworfen und eingerichtet hat. 

1932 wurde mit der Auto Union Chemnitz der erste staatliche Autokonzern gegründet. Dafür wurden vier Marken, Audi, DKW, Horch und Wanderer, zusammengeschlossen, blieben jedoch weiter eigenständig. Das Firmenlogo, vier ineinander verschränkte Ringe, steht für die vier Marken – heute für Audi, die lateinische Übersetzung von Horch. Die wechselvolle Geschichte der Automobil-Industrie erweckt das Alfred Horch-Museum in Zwickau auf drei Etagen zu spannendem Leben. 

ERFINDER UND EXPRESSIONISTEN 

Interimistischer Namensgeber: Karl Marx — Foto: Elo Resch-Pilcik
Interimistischer Namensgeber: Karl Marx — Foto: Elo Resch-Pilcik

Von 1953 bis nach der Wende, 1990, hieß Chemnitz KarlMarx-Stadt. An den Gesellschaftstheoretiker und Kritiker des Kapitalismus erinnert in der Innenstadt eine monumentale Büste – mit Sockel mehr als 13 Meter hoch und ca. 40 Tonnen schwer – des sowjetischen Künstlers Lew Kerbel.

 Anderen Denkern und Erfindern Sachsens wurde im Industriemuseum ein Denkmal gesetzt: Melitta Bentz, die den nach ihr benannten Kaffee-Filter entwickelte. Der Schnellhefter, in Chemnitz „Aktendulli“ genannt, wurde zwar von G. H. Laufer aus Frankfurt/Main erfunden, hergestellt wurden die praktischen Streifen aber in einer Fabrik in Chemnitz. Karl L. Krauß aus dem Erzgebirge ließ sich 1901 das Prinzip der Trommelwaschmaschine patentieren – ein System, das bis heute Anwendung findet. Es macht Spaß, die Herkunft vieler praktischer Begleiter des täglichen Lebens zu entdecken. 

Aus der Sammlung Gunzenhauser — Foto: Elo Resch-Pilcik
Aus der Sammlung Gunzenhauser — Foto: Elo Resch-Pilcik

Im Museum Gunzenhauser, einem Teil der Kunstsammlungen Chemnitz, stehen Expressionismus, Neue Sachlichkeit und Abstraktion im Fokus. Mehr als 3.000 Werke aus der Sammlung des Münchner Galeristen Alfred Gunzenhauser werden im ehemaligen Sparkassen-Gebäude ausgestellt. Otto Dix, Alexej von Jawlensky, Gabriele Münter oder Serge Poliakoff und viele andere sind Teil der Dauerausstellung, die mit wechselnden Sonderschauen ergänzt wird. 

 

 

ZAUBER DES ADVENTS 

Das Erzgebirge hat sich auch als die Weihnachts- und Adventsregion einen Namen gemacht. Praktisch jedes Dorf hat seinen eigenen Weihnachtsstern. Dazu kommen noch geschnitzte Engel, Räuchermännchen, Nussknacker und anderer Holzschmuck. Eine Besonderheit ist der Schwibbogen. Ursprünglich wurden diese Lichterbögen mit brennenden Kerzen in die Fenster gestellt, um den Bergleuten den Weg nach Hause zu leuchten. Heute gilt er als Symbol der Weihnachtszeit. Als magischer Moment gilt, wenn am Anfang der Adventszeit die Schwibbögen in den Fenstern fast alle zur gleichen Zeit entzündet werden. Für 2025 werden im „MakerAdvent“ weihnachtliche Mitmachangebote in Chemnitz und der Kulturhauptstadt-Region zusammengestellt.  

KOMPAKT KULTURHAUPTSTADT-REGION

Chemnitz und 38 Kommunen und Gemeinden 
Eröffnungsveranstaltung: 18. Jänner 2025, 4 Flagship-Projekte:
Purple Path 
Makers, Business & Arts 
#3000 Garagen 
Gelebte Nachbarschaft 

www.chemnitz2025.de, www.sachsen-tourismus.de, www.chemnitz.travel 

HOTELTIPP 

c/o 56 Chemnitz: fünf Minuten von Schloss und Schlosspark und dem Küchwald (beides mit schönen Jogging-Strecken) entfernt. 15 Minuten zu Fuß ins Stadtzentrum 

SEHENS- UND GENIESSENSWERTES 

• Altstadt: Roter Turm, altes und neues Rathaus, Opernhaus am Theaterplatz 
• Villenviertel Kaßberg: gut erhaltene Villen der ehemaligen UnternehmerFamilien 
• Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis: Rd. 33.000 politische Gefangene der DDR, die hier inhaftiert waren, wurden durch die Bundesrepublik zwischen 1962 und 1989 freigekauft. 
• Schlossviertel mit Schlossgarten: Benediktinerkloster aus 1136, das im 15. Jh. in ein Schloss umgebaut wurde 
• Bunte Esse: bunt leuchtender Schornstein des Heizkraftwerks, 302m hoch 
• Heckert-Gebiet: eine der größten Plattenbau-Siedlungen der DDR für 90.000 BewohnerInnen 
• Zwickau: Alfred Horch-Museum 
• Mehr als 20 Burgen und Schlösser 
• Sächsische Schweiz: Teil des Elbsandsteingebirges. Wunderbares Wander- und Radgebiet mit Elbradweg 
• Sächsischer Wein: das nördlichste Anbaugebiet Europas 

ANREISE 

Klimafreundlich: per Bahn mit dem Nightjet ab Wien bis Dresden, umsteigen in Nahreisezug (9:15 Std.) 
Direktflug Wien – Leipzig, weiter per Bahn nach Chemnitz 
Auto: ab Wien ca. 5:30 Stunden (500km)