Island: Wenn das Wetter die Route vorgibt

Es gibt ein Programm und eine festgelegte Route. Vom Tag der Einschiffung bis zum letzten Reisetag. Und dennoch kommt es vor, dass an einem Tag das Schiff den Hafen nicht verlässt. Oder eine Insel angefahren wird, die in den Reiseunterlagen nicht erwähnt wird. Ein Hauch von Abenteuer – und eine Bereicherung für die Reise.

Bei einer Expeditionskreuzfahrt, auch in der „soften“ Variante, ist nicht immer alles vorhersehbar. In Reykjavik, der Hauptstadt Islands, sind alle an Bord und in freudiger Erwartung. Die Sonne scheint, die Seaventure, das kleine Schiff für maximal 164 Passagiere, das für den Kreuzfahrtveranstalter Iceland ProCruises unterwegs ist, startet zu ihrer Kreuzfahrt rund um die „Insel aus Feuer und Eis“. Aber schon der folgende Tag zeigt sich wettermäßig von seiner grauen, nassen und leicht stürmischen Seite. „So ist das nun mal in Island, damit muss man rechnen“, heißt es. Was aber auch bedeutet, dass der erste Stopp in Arnarstapi an der Südseite der Snaefellsnes Halbinsel in Westisland und damit die Ausflüge und Touren in den Berglandschaften und Lavahöhlen ausfallen. Auch Siglufjördur, einstiges Zentrum der Hering-Industrie, die Insel Hrisey oder die Hafenstadt Akureyri entgehen uns – anders als vorgesehen – im Verlauf dieser Reise.

GAMMELHAI UND TROTTELLUMMEN

Was aber kein Grund zur Traurigkeit ist. Wir halten uns länger in Isafjördur auf, das der Kapitän und seine erfahrene Crew ansteuern. Womit wir genug Zeit für den – tatsächlich geplanten – Tagesausflug in den touristisch weniger erschlossenen Westfjorden haben. Per Bus fahren wir entlang steiler Berghänge zum 100 Meter hohen, fächerartigen Dynjandi Wasserfall. Neben einem Dorfbesuch mit herzhaftem Mittagessen steht auch eine Erkundung der kleinen, 2.500 Einwohner-Stadt mit Brauerei, Museum und ein paar Geschäften auf dem Programm. In seinem Fischgeschäft zeigt uns Kári Thór Jóhannson, Fischverkäufer in dritter Generation, welche Fische in der Region gefangen und weiterverarbeitet werden. Wer möchte, darf auch den in Island beliebten Gammelhai (Hákarl) verkosten. Jóhannson beliefert auch unser Schiff mit seinem Fisch.

Völlig außerplanmäßig kommen wir in den Genuss einer Zodiac-Fahrt zur Insel Drangey im Ford Skagafjörður. Betreten dürfen wir sie nicht, aber die Vogelkolonien von Trottellummen, Dreizehenmöwen und Papageientauchern, die in Höhlen auf dem Felsplateau nisten und über uns herumschwirren, sind vom Boot aus gut zu beobachten. Auch wenn die Insel nicht bewohnt ist, eine Genehmigung ist für die Tour trotzdem notwendig. Diese holte sich der isländische Expeditionsleiter Hermann Helguson vom Besitzer der Insel, den er durch sein gutes Netzwerk kennt. „Manchmal reicht eine Flasche Whiskey als Gebühr,“ verrät er lachend.

FLEXIBILITÄT IST ALLES

„Was machen wir morgen? Was sollen wir anziehen?“ Das sind die häufigsten Fragen der Passagiere, erzählt Hermann. Darauf zu antworten, ist nicht immer einfach. „Bei einer Expeditionskreuzfahrt passiert manchmal Unerwartetes, man muss flexibler sein, sich an Bedingungen von Wetter und Meer anpassen, reagieren und neue Programme erstellen. Aus Plan A wird B oder dann auch C“, sagt er. „Wir gehen jeden Tag auf die Brücke und schauen uns an, wie die Bedingungen sind. Dann rufen wir die Guides zusammen. Danach informieren wir die Gäste.“ Der begeisterte Fotograf und Naturliebhaber kennt Island fast wie seine Westentasche, einige Orte lernt aber auch er erst auf einer Kreuzfahrt kennen.

Im Vergleich zu Grönland-Expeditionen handelt es sich in Island aber immer noch um eine „Soft-Expedition“. „Für eine Grönland-Reise gibt es auch einen Plan – der wird aber nicht im Detail bekannt gegeben, es kann sich so viel ändern“. Manchmal sind es hohe Wellen, welche die Fahrpläne nicht einhalten lassen. Dann sind es die schwierigeren Bedingungen an Land, die zu langen oder nur kurzen Wanderungen veranlassen.

Die Gäste an Bord sind darauf vorbereitet. „Das sind Menschen, die auf kein anderes, auf kein großes Schiff gehen würden“, meint Sybille Köll, eine aus Niederösterreich stammende Reiseleiterin an Bord. „Es geht hier um Entdeckungen. Die meisten Gäste buchen auch für jeden Tag einen Ausflug.“ Sie selbst sieht sich in ihrem Element: „Hier spürst du die Freiheit und die Weite. Man ist in einer anderen Welt – die Schönheit des Meeres, die Tierwelt, die Wellen, der Himmel…“, schwärmt sie.

ISLÄNDISCHES FLAIR

Die Seaventure ist nicht mehr die Jüngste und auch kein Luxusschiff, aber gut in Schuss und für die Destination gebaut, wissen die Crew und die Betreiber. Im Mittelpunkt steht die Destination. Angefahren werden kleine Häfen, Dörfer sollen nicht mit Reisenden überflutet werden. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit lokalen Betrieben sowie isländisches Flair an Bord. Mit Vorträgen und „Porttalks“ bringen Expertinnen und Experten den Gästen die Orte, Kultur und Natur näher, es gibt Sprachkurse, im Restaurant bereichern isländische Gerichte – und isländisches Bier vom Fass – die Menüs. Großes Entertainment ist, abgesehen von ein bis zwei musikalischen Abenden oder einer Zeremonie beim Überfahren des Nördlichen Polarkreises, nicht angesagt. Wird auch nicht benötigt.

ALLEINUNTERHALTERIN: DIE NATUR

Unterhaltung bieten ohnedies die spektakulären Landschaften, die außergewöhnliche Natur und Tierwelt, die kleinen Häfen und Begegnungen an Land. Wie etwa im genannten Isafjördur. Oder auf der kleinen Insel Flatey in der Bucht Skjálfandi im Norden mit Kirche, Leuchtturm, ein paar schönen Häusern, die hauptsächlich im Sommer bewohnt sind. Abgesehen von der Gruppe von Kreuzfahrtpassagieren der Seaventure, die mit Zodiacs an Land gebracht wurde, sind keine Menschen zu sehen. Umso mehr jedoch unzählige Vögel, u. a. Puffins (Papageientaucher), Seeschwalben und Regenpfeifer, die lautstarke Konzerte liefern. Ein Ereignis für sich ist eine Walbeobachtungsfahrt per Rib-Boot in Husavik, dem Walbeobachtungszentrum Islands im Norden. Die Garantie für eine Sichtung der eindrucksvollen Meeressäugetiere beträgt fast 100 Prozent. Oder ein ganztägiger Ausflug mit vielen Highlights wie dem mücken- und fischreichen Myvatn See, dem Godafoss Wasserfall (Wasserfall der Götter), den Lavaformationen von Dimmuborgir, dem vielfärbigen Geothermalgebiet Hverarönd und den heißen Quellen von Myvatn, inklusive Besuch der Therme.

NICHTS VERPASST

Im Osten, etwa in Husey, hat man die Möglichkeit, einen Ausritt mit den berühmten Islandpferden zu unternehmen – und mit Glück dabei auch Seehunde am Strand zu beobachten. Im Südosten zahlt sich eine sehr lange Fahrt aus, um die Gletscherlagune Jökulsarlon zu erleben. Den wunderbaren, weiß-bläulichen Eisformationen, die auf dem glasklaren Wasser treiben, kommt man mit einer Bootsfahrt ganz nahe.

Auf den Westmännerinseln ist schließlich die Insel Heimaey Station. Diverse Ausflüge führen zum Vulkankrater der Insel und auch zu den im Jahr 1973 durch einen verheerenden Vulkanausbruch von Lava verschütteten Häusern. Über das Ereignis wie auch über die Geologie und Lebensräume in der großartigen Insellandschaft erfährt man vieles im Vulkanmuseum.

Letzter Stopp ist – so wie am Beginn – Reykjavik. Hier hat man noch Zeit, die Geschäfte, Lokale und Museen, den Hafen oder die berühmte Kirche Hallgrímskirkja zu erleben und sich langsam von der wundervollen Insel im Norden zu verabschieden. Trotz wetterbedingter Programmänderungen hat am Ende der Schiffsreise wohl niemand das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Im Gegenteil.

KOMPAKT

SEAVENTURE
Eisklasse: 1A, Länge: 111m, Breite: 17m, ausschließlich Außenkabinen
Passagierzahl: max. 164 (Besatzung 60)
Ausstattung: 1 Restaurant, 2 Bars, Lounge, Bibliothek, Auditorium, Pool, Sauna, Fitnessraum; 14 Zodiacs
Iceland ProCruises ist Teil der Island ProTravel-Gruppe (Anbieter von Island- und Grönland-Reisen).
Programm 2024: Touren ab 9 Tagen Dauer, auch Kombinationen mit Grönland möglich. Preisbeispiel: Island-Umrundung, 9 Tage, ab 2.799 EUR (exkl. Anreise)
Weitere Infos im Reisebüro und auf www.icelandprocruises.de

Die Reise erfolgte auf Einladung von Iceland ProCruises.