Fernreisen: Was Sinn macht, macht mehr Freude

Eine Studie des Deutschen Zukunftsinstituts hat ermittelt, dass Reisende wieder mehr den Wunsch „unmittelbarer Berührung“ mit Menschen und Dingen hegen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. In diesem Zusammenhang spricht das Institut von „Resonanztourismus“. Oder einfach ausgedrückt: Reisende wollen oft nicht nur ein Hotel mit All-inclusive-Buffet, eine Woche Nix-tun mit einem nicht zu anstrengenden Sightseeing- Programm zwischendurch, sondern hinaus in die Orte, in den Cafés und Restaurants sitzen, mehr über die lokale Bevölkerung wissen, die Natur mit ihren verschiedenen Facetten erleben, Dinge tun, die auch der persönlichen Entwicklung dienlich sind.

Aber nicht jede oder jeder ist dafür gemacht, aufs Geratewohl mit Menschen in anderen Ländern zu interagieren, sei es aus Scheu, Unerfahrenheit, aufgrund fehlender Sprachkenntnisse oder eines zu dichten Reiseprogramms. Verschiedene Tourismusorganisationen, Reiseveranstalter oder NGO bieten mittlerweile ein breites Spektrum an Möglichkeiten, ob bei gemeinsamen Wanderungen, Umweltaktivitäten, Führungen oder Workshops, um Begegnungen und sinnvolle, nachhaltige Erlebnisse zu schaffen. Ein paar Beispiele dafür hat reisetipps herausgepickt.

Mehr als ein Lächeln

In Ghana mit Menschen in Kontakt zu treten, ist keine Schwierigkeit. Ein freundliches „Hello!“ reicht, und schnell ist man im Gespräch. Das Leben spielt sich draußen ab, vor den Häusern, auf der Straße und auf den Plätzen, ob in der Hauptstadt Accra, in den Fischerorten an der Küste oder in den Bergdörfern. „Old Accra“, das aus dem (ehemals britischen) Viertel Jamestown und (ehemals holländischen) Ussher Town besteht, gleicht einem Labyrinth. Kleine Häuser dicht nebeneinander, Gassen und Plätze, an denen das alltägliche Leben zu beobachten ist. In den Straßen reihen sich – auch ohne Markttag – zahlreiche Stände aneinander, wo man alles, was man fürs tägliche Leben braucht oder auf die Schnelle essen möchte, kaufen kann: Obst, Gemüse, Gewürze, getrockneten Fisch, gebratene Kochbananen, geröstete Erdnüsse, frittierte Schweinsrüssel, lebendige Krabben.

 

Boxclub für Kids in Ghana — Foto: Christiane Reitshammer, www.textkitchen.at

In Jamestown befindet sich die „James Town Boutique“, Ort für Ausstellungen, Malklassen und Treffpunkt für Walking Tours. Betreiber Nii Markwei Marmah führt Gruppen durch sein Viertel und bringt ihnen dessen Geschichte, Kunst und Kultur näher. Er zeigt den Gästen auch den Sea View Boxing Club für Kinder und Jugendliche, die hoch ambitioniert im Ring stehen und auf Boxsäcke einschlagen. Mehrere Mädchen zeigen, was sie in ihrem Alter schon draufhaben. „Einige der besten Boxer Ghanas haben hier begonnen, etwa Azumah Nelson oder Iky Quartey“, erzählt er.

MITTEN IM ALLTAG

Gleich ums Eck befindet sich ein Fußballplatz. Hunderte – hauptsächlich – Burschen scharen sich auf dem lehmigen Feld oder rundherum und verfolgen das Spiel zwischen mehreren Toren. Die Begeisterung für den Sport ist groß, und wer weiß, vielleicht ist auch ein künftiger Spieler der „Black Stars“, der ghanaischen Nationalmannschaft, dabei. Ein weiterer Guide, Nii Teiko, stellt sich während der Führung als Sänger heraus: Er lächelt von einem riesigen Plakat, das ein Konzert ankündigt, herunter. Nach Aufforderung der Besucher gibt er spontan eine Kostprobe seines Könnens. Zwischen den Häusern treffen sich Familien zum Essen, Feiern und Tanzen. Oft wird Fufu gestampft und geknetet, eine Masse aus Maniok oder Yams und Kochbananen, die traditionell und liebend gerne mit einer Art dicken Suppe mit Fleisch oder Fisch gegessen wird. Oder die Bewohner füllen Wasser in Plastiksackerln, bemalen Masken, flechten Zöpfe an Köpfen… Den Besuchern in ihrem Viertel begegnen die Erwachsenen immer mit einem breiten Lächeln und einem „Hello“ oder „Welcome“, wenn Zeit ist, auch mit einem kurzen Plausch. Die Kinder haben ihr Gaudium, indem sie keck „Hallo, weiße Frau“ rufen und die Hand entgegenstrecken (oder mich im Vorbeigehen lachend anstupsen).

Die Reise nach Ghana erfolgte auf Einladung von Akwaba Afrika, www.akwaba-afrika.de

Naturverbundenheit

Insidertipps, die passende Ausrüstung, Naturverbundenheit und die Möglichkeit, Gegenden zu besuchen, die ohne Begleitung durch die Locals tabu wären – das bieten die „Why Guides“, mehrere unabhängige, lokale Ausrüster und Reiseführer im US-Bundesstaat Oregon, mit ihren lokalen Touren. Einer der Guides ist Alysia Littleleaf mit ihrem Unternehmen Littleleaf Guide Service, das ein- und mehrtägige Campingausflüge auf jene Seite des Deschutes River anbietet, die als ursprüngliches Stammesland noch immer im Besitz der Indigenen ist. Der Deschutes River im Warm Springs Indian Reservat gilt als einer der besten Orte zum Fliegenfischen in Oregon. Alysia entstammt einem Fischervolk, ihre Wurzeln gehen auf verschiedene Stämme der Native Americans zurück. Mit Kescher, Wathose und Fliegenrute setzt sie auf die heimischen „Redsides“-Forellen. Ihr Bestreben ist es auch, die Lebensweisen ihrer Vorfahren zu erhalten und gleichzeitig Reisenden in Oregon die Augen für Neues zu öffnen. www.traveloregon.com

Gut für Riff und Karma

Müll am Strand einsammeln und mehr über Maßnahmen zum Korallenschutz erfahren: Green Island in Tropical North Queensland in Australien bezieht auf kostenfreien Öko-Touren Urlaubende aktiv ins Thema Nachhaltigkeit ein. Der „Eco Clean and Green Walk” und die „Riff-Resilienz“-Tour im Glasbodenboot sind Teil des Bildungs- und Gästeprogramms des Green Island Resorts, 27km vor der Küste von Cairns. Die Touren werden von MeeresbiologInnen von Reef Biosearch geleitet, einem spezialisierten Team, das sich der Aufklärung über das weltgrößte Korallenriff widmet. Beim „Eco Clean and Green Walk” sammeln die Gäste angeschwemmten Müll ein. Nebenbei erfahren die „Hobby-MüllsammlerInnen“ mehr über die Geschichte, Biologie und Ökologie der Insel. Die „Reef Resilience“-Tour mit dem Glasbodenboot gibt einen Einblick in den aktuellen Zustand und die Pflegemaßnahmen des Great Barrier Reef. Im Mittelpunkt steht dabei ein Korallen-Restaurierungsprojekt, das an einem Tauch- und Schnorchelplatz durchgeführt wird. www.tropicalnorthqueensland.org.au/

In den Wald eintauchen

Die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen: beim Waldbaden in Hongkong. Waldbaden fördert die geistige und körperliche Gesundheit, heißt es. Die Hongkong-Chinesin Amanda Yik ist Mitglied der in den USA beheimateten Association of Nature and Forest Therapy Guides and Programs und ist seit sechs Jahren zertifizierte Waldtherapie-Führerin und -Ausbilderin. In Hongkong gibt es unzählige Plätze, die sich für das Waldbaden eignen – die 24 Country Parks der Stadt bieten die idealen Voraussetzungen und in nur fünfzehn Minuten ist man vom hektischen Stadtzentrum mitten in der Natur. Yiks Lieblingsplatz zum Waldbaden ist der 47 Hektar große Lung Fu Shan Country Park, der kleinste der städtischen Naturparks. Die geführten Waldbäder dauern in der Regel drei Stunden und werden das ganze Jahr über von ihr angeboten. www.discoverhongkong.com

Vom Feld auf den Tisch

„Farm-to-table“ gilt quasi als Frische- und Qualitätsversprechen. Auf Antigua und Barbuda setzen immer mehr Restaurants und Caterings auf dieses Konzept; lokale und saisonale Produkte bestimmen die Speisekarten und das Angebot der Märkte. Der Colesome Farmers Market etwa hat sich darauf spezialisiert: Was auf dem drei Hektar großen Bauernhof nicht angebaut wird, kommt saisonal von Qualitätsfarmpartnern aus dem ganzen Land. Bei kostenlosen Farmtouren lernen Besucherinnen und Besucher nachhaltige Landwirtschaft aus erster Hand kennen. Mehr als Farmtouren bietet eine Gruppe von Landwirten an, die Humble and Free Wadadli gegründet haben. Dahinter verbirgt sich ein Tourenveranstalter, der Kultur und Natur des Inselstaates mit nachhaltigen Ausflügen verknüpft und daraus sozioökonomische Vorteile für die Gemeinden schöpft. Ein Großteil der Einnahmen fließt in den Erhalt des Landes und in die Produktion von Erzeugnissen, die vor Ort vertrieben werden. www.visitantiguabarbuda.com