Service: Der Koffer allein auf Reisen
Leider kann er nicht sprechen, viel hätte er zu erzählen. Schließlich ist der große, rote Koffer schon viel in der Welt herumgekommen. Zuletzt war er in Island, wo er die Reise von Reykjavik über München nach Wien – vermutlich - ohne seine Besitzerin zurücklegen musste. Bis zur erfreulichen Heimkehr des verlorenen Koffers gab es einen regen, meist sehr einseitigen Schriftverkehr mit Airlines und Flughäfen; auf die Kontaktversuche wurde zumeist mit automatisch generierten Antworten reagiert. In Sachen Schadensmeldung wurde auf die Reiseversicherung verwiesen.
Einer Studie des Airline-IT-Dienstleisters Sita zufolge sind 2023 im weltweiten Flugbetrieb 36,1 Millionen Gepäckstücke nicht wohlbehalten oder zumindest nicht gemeinsam mit den Besitzern ans Ziel gekommen. Auf 1.000 Passagiere gerechnet gab es Probleme mit 6,9 Gepäckstücken. 77 Prozent kamen mit Verspätung an, 18 Prozent waren beschädigt oder aufgebrochen, fünf Prozent wurden gestohlen oder gingen für immer verloren. Die meisten Probleme gab es demnach, wenn man umsteigen musste.
PROBLEMLÖSUNG MIT GPS UND BLUETOOTH
Viele Fluggäste behelfen sich mittlerweile mit unterschiedlichen „Koffer-Trackern“, um zumindest den Standort des Reisegepäcks zu eruieren. Etwa mit GPS-Tracker. Das sind kleine Peilsender, die mittels GPS Signale ausschicken, die über eine App oder Website und über das Mobilfunknetz (SIM-Karte oder eingebettete SIM-Karte) empfangen werden. Damit hat man die Möglichkeit, den Standort auch über eine größere Distanz abzufragen.
Weiters gibt es Tracker, die mit Bluetooth funktionieren, jedoch nur über kurze Entfernungen bis zu 120 Metern. Der Vorteil darin besteht aber, dass die Hersteller Telefone anderer Nutzer verwenden, um mit dem Tracker zu kommunizieren und den Standort dann anonym mitteilen können. Diese Funktionsweise wird auch ständig weiterentwickelt. Erst kürzlich hat Apple ein Feature angekündigt, mit dem Standorte von Airtags temporär mit Dritten geteilt werden. Dabei wurde eine Partnerschaft mit Fluglinien (u. a. Austrian, Lufthansa, Swiss) eingegangen, welche die Daten zur Auffindung der Gepäcksstücke nutzen können.
OFFIZIELL GENEHMIGT
Bei beiden Technologien gibt es Vor- und Nachteile. Zu bedenken sind Vorlieben (Apple oder Android), Kosten/Abos, Batterie/Akku-Laufzeit, Reichweite, Netzwerk und Kommunikationen sowie weitere Funktionen. Bekannte (und großteils bewährte) Tracker für Bluetooth sind Apple Air Tag, Chipolo ONE und Tile Pro; für GPS Tracki GPS Tracker, Gego GPS Tracker und LandAirSea 54 GPS Tracker. Die Sender werden in den Koffer oder in die Tasche gelegt, die dann, je nach Reichweite bzw. „Kommunikation“ geortet werden.
Was aber noch immer nicht heißt, dass der Koffer dann schneller geliefert wird, da es auch an den Fluglinien liegt, wie sie reagieren (Problem, siehe oben: automatisch generierte Antworten u. ä.). Ein Vorteil ist zumindest, dass man sich Wartezeit am Gepäcksband spart, wenn man sieht, dass sich der Koffer noch am Heimatflughafen befindet. Oder aber das Gepäck wurde auf ein falsches Band geliefert, steht irgendwo herum und ist so rascher auffindbar.
Die Tracker waren ursprünglich von den Fluglinien nicht gerne gesehen. Seit Mai 2023 dürfen einer Regelung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO Passagiere offiziell die kleinen Ortungsgeräte, die demzufolge kein Sicherheitsrisiko darstellen, verwenden. Vorgabe ist: Die Batterien dürfen einen Lithiumgehalt von 0,3 Gramm und eine Leistung von 2,7 Wattstunden (Wh) nicht überschreiten, was gängige Knopfzellen beinhalt. Die Geräte müssen außerdem vor Beschädigung geschützt sein. Hätte der rote Koffer bereits einen Tracker mitgetragen, könnte er zwar immer noch nicht sprechen. Aber wir wüssten zumindest, über welche Orte er nicht erzählen kann.
WAS TUN, WENN DER KOFFER NICHT AM BAND LIEGT?
- 1. Sofort entweder bei der Gepäckermittlung am Flughafen oder online bei der Airline melden. Passagiere erhalten eine Vorgangsnummer, mit der das Gepäck online verfolgt werden kann. Wird das Gepäck ermittelt, wird es zum Zielflughafen der Reise transportiert, abgefertigt und weitervermittelt (zur Zustellung oder Abholung).
- 2. Wenn das aufgegebene Gepäck verlorengeht, beschädigt wird oder verspätet ankommt, ist die Fluggesellschaft haftbar. D.h. es gibt einen Anspruch auf eine Entschädigung bis zu einem Betrag von rund 1.300 Euro.
- 3. Ist der Koffer verspätet am Urlaubsziel, hat der Passagier das Recht, Ersatzkleidung und Kosmetik zu einem angemessenen Preis zu kaufen. Manche Airlines geben auch ein „Overnight-Kit“ aus. Die Ausgaben kann man sich später von der Fluggesellschaft erstatten lassen (Belege sammeln, zeitgerechte Meldung!). Die Höchstsumme für Ersatzkäufe beträgt ebenfalls ca. 1.300 Euro pro Fluggast. Die Ausgaben hängen davon ab, wann der Koffer ankommt und auch vom Grund der Reise. Am besten gleich am Schalter fragen, welche Kosten bewilligt werden.
- 4. Ist ein Koffer mehr als 21 Tage verspätet, gilt er als verloren. Die maximale Entschädigung beträgt auch hier um die 1.300 Euro. Koffer und Inhalt werden entsprechend ihrem Zeitwert erstattet.
- 5. Wer Luxusartikel oder teure Kleidungsstücke transportiert, sollte eine zusätzliche Reisegepäcksversicherung abschließen.
- 6. Ist der Koffer beschädigt: mit Fotos dokumentieren, mit Rechnung des Koffers einreichen, Airline informieren. Und/oder Reiseversicherung informieren.
Umfangreiche Infos gibt es dazu auf den Seiten der Airlines bzw. unter europakonsument.at und flightright.at.